Fahrzeugkonzept
Neben einer für Fahrgäste attraktiven und komfortablen Stadtbahn sollte die Rhein-Neckar-Tram technisch zuverlässig und möglichst wenig anfällig für Verschleiß sein. Zudem sollten die RNT auf einer erprobten Grundkonstruktion basieren, die sich auch schon unter schwierigen Einsatzbedingungen bewährt hat: Der Bauweise der Škoda Artic.
Rahmenbedingungen und Anforderungen
- Meterspur (1000 mm)
- Eisenbahn- und Straßenbahnbetrieb (bis zu 80 km/h)
- Fahrzeugbreite 2,40 m
- Länge bestehender Bahnsteige
- Doppeltraktionsfähigkeit (im Linienbetrieb und im Abschleppszenario)
- enge Gleisbögen von 15 m Radius
- lange und steile Rampen
- zulässige maximale Achs- und Gesamtlasten bei Gleisen und Bauwerken
- redundante Auslegung von Antrieb und Bremsanlage für hohe Zuverlässigkeit
- solide Bauweise sowie günstige Verschleißeigenschaften an Strecke und Fahrzeug
Daneben flossen Anforderungen an die Bahn ein, die sich in den Jahren seit der letzten Neuanschaffung stark weiterentwickelt haben: beispielsweise zur passiven Sicherheit, also der Stabilität der Wagenkästen und dem Kollisionsschutz. Durch höhere Anforderungen an den Kundenkomfort und betriebliche Flexibilität können die neuen Bahnen beispielsweise besser klimatisiert werden und haben die Möglichkeit, bis zu 1,5 Kilometer ohne Oberleitung zu fahren.
All dies hat direkte Auswirkungen auf die Fahrzeugbauform, auf Fahrzeuggesamtlängen, auf Anzahl und Länge der einzelnen Wagenkastensegmente sowie auf Anzahl, Bauart und Position der Fahrwerke. Außerdem wirken sich Rahmenbedingungen und Anforderungen auf das Fahrzeuggewicht und damit auch auf die Dimensionierung der Bremsanlagen aus. Hinzu kommen betriebliche Vorgaben, um den Fahrgastverkehr zuverlässig abzuwickeln und um Reparatur und Wartung kostengünstig zu ermöglichen.
Schlussfolgerungen
Nur mit einem Drehgestellkonzept kann das höhere Fahrzeuggewicht mit den Rahmenbedingungen der Infrastruktur in Einklang gebracht werden. Diese Fahrwerke, die sich gegenüber dem Wagenkasten frei bewegen und ausdrehen können, ermöglichen einen besonders guten Fahrkomfort dank einer sanften, gleichmäßigen und ruckfreien Fahrt in Kurven. Zudem bringt ein Drehgestell weniger Verschleiß, höhere Fahrzeugverfügbarkeit, kürzere Werkstattaufenthalte und langfristig weniger Gleisbaustellen.
Die engen Kurvenradien erfordern allerdings, dass sich die Drehgestelle in Gleisbögen relativ weit in den Fahrgastraum hinein bewegen, dessen Breite ebenfalls begrenzt ist. Um diesen Bewegungsradius zu ermöglichen, musste der Boden im Fahrwerksbereich angehoben werden. Den Höhenunterschied müssen Fahrgäste per Stufen oder einer Rampe mit einem schmalen Mittelgang überwinden. Aus Gründen der Barrierefreiheit und als Ergebnis des Dialogverfahrens hat man sich bei der RNT für Rampen entschieden.
Modulare Zugbildung
Die neuen RNT-Fahrzeuge werden in drei Längenklassen von 30, 40 und 60 Metern geliefert. Dabei wurde ein modulares Fahrzeugkonzept umgesetzt. Dieses vereinigt eine größtmögliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an künftige Entwicklungen und Bedarfe mit einer deutlichen Optimierung der Werkstatt- und Wartungsprozesse. Dadurch sollen im Schadensfall weniger Fahrzeuge ausfallen und mehr für die Strecke verfügbar sein.
Technisch besteht ein Fahrzeug der 40-Meter-Klasse aus zwei identischen und unabhängig fahrfähigen 20-Meter-Teilfahrzeugen, die dauerhaft „Rücken-an-Rücken“ gekuppelt verkehren und durchgehend begehbar sind. Gleichermaßen bestehen die 60-Meter-Fahrzeuge aus zwei gekuppelten und durchgehend begehbaren 30-Meter-Teilfahrzeugen. Diese können in der Werkstatt mittels Schnelltrennstelle in die kürzeren Teilfahrzeuge zerlegt werden.
Bislang konnten die bestehenden 40-Meter-Fahrzeuge der rnv nur als Einheit behandelt werden. Gibt es beispielsweise einen geringfügigen Wartungs- oder Reparaturbedarf an einem Fahrzeugende, muss das ganze Fahrzeug in die Werkstatt und ist in dieser Zeit für den Fahrgastbetrieb nicht verfügbar, obwohl große Teile des Fahrzeuges voll einsatzbereit wären.
Mit den neuen 20 und 30 Meter langen Teilfahrzeugen der RNT, die zusammen je ein Fahrzeug der 40- und 60-Meter-Klasse bilden und auch nur im so zusammengekuppelten Zustand im Fahrgastbetrieb eingesetzt werden, müssten nur die reparaturbedürftigen Fahrzeugteile in die Werkstatt. Die jeweils nicht betroffenen Fahrzeughälften können flexibel neu zusammengestellt und dann direkt wieder auf die Strecke geschickt werden.
Einheitliche Beschaffung von Zweirichtungsfahrzeugen
Neu - zumindest für das Ludwigshafener Verkehrsgebiet - ist, dass es sich bei der Rhein-Neckar-Tram um ein Zweirichtungsfahrzeug handelt.
Solche Fahrzeuge mit vollwertigen Fahrerkabinen an beiden Enden, sowie mit Türen auf beiden Seiten werden bereits seit Jahren auf der rnv-Bahnlinie 5 und in Heidelberg eingesetzt. Mit der RNT werden Zweirichtungsfahrzeuge Standard im gesamten Verkehrsgebiet der rnv.
Für eine einheitliche Beschaffung von Zweirichtungswagen sprechen zudem wirtschaftliche Vorteile durch die größere Anzahl gleichartiger Fahrzeuge. Außerdem führt der Einsatz von Zweirichtungswagen zu weniger Verschleiß, da Gleise und Räder bei entsprechendem Einsatz gleichmäßiger abgenutzt werden.
Ein vollwertiger Fahrerarbeitsplatz im Heck hilft zudem dabei, die gesetzlich vorgeschriebenen Crashnormen zu erfüllen. Diese verlangen auch im Fahrzeugheck einen strukturellen Vollausbau wie in der Fahrzeugfront. Eine vereinfachte Ausführung des Fahrzeughecks wie bei den Bestandsfahrzeugen ist nicht mehr zulässig.
Leistungsstarke und effiziente Antriebe und Rückgewinnung von Bremsenergie
Die neue Rhein-Neckar-Tram verfügt über effiziente und leistungsstarke Antriebe. Diese ermöglichen eine gute Fahrdynamik und damit ein schnelles Vorankommen im Verkehr.
Um ein optimales Fortkommen zu gewährleisten, werden alle Achsen angetrieben. Die beim Bremsen entstehende Energie wird in hochleistungsfähigen Kondensatoren gespeichert, um sie beim nächsten Beschleunigungsvorgang direkt wieder zu nutzen und damit den Stromverbrauch zu verringern. Diese ressourcenschonende Technologie ist die Basis, um in Zukunft einzelne kurze Abschnitte auch oberleitungsfrei befahren zu können. Die dafür notwendigen Batterien sind bei der Konstruktion des Fahrzeugrohbaus und der Fahrzeugelektronik berücksichtigt und können bei Bedarf nachgerüstet werden.