Dialogverfahren
Die Rhein-Neckar-Tram sollte möglichst barrierefrei und von den Fahrgästen gut nutzbar sein. Dies zu erreichen war für die Städte und Gebietskörperschaften als Gesellschafter und Aufgabenträger besonders wichtig. Daher hat die rnv bei der Konzeption der RNT nicht nur geltende Normen berücksichtigt und nach diesen ausgeschrieben. Auch die tatsächlichen Bedarfe unserer Fahrgäste hinsichtlich Komfort, Sicherheit und Benutzungsfreundlichkeit sollten ermittelt und in die RNT integriert werden. So wurde ein aufwendiges Dialogverfahren durchgeführt.
Eingebunden waren Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Interessengruppen, wie beispielsweise Menschen mit Behinderungen, Senioren, Familien und Fahrradfahrer, Kunden- und Fahrgastverbände sowie Mitarbeitende der Verwaltungen. Über 200 Rückmeldungen zu verschiedensten Themen wurden systematisch erfasst, ausgewertet und gemeinsam mit dem Hersteller auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft.
Insgesamt wurde das Fahrzeugkonzept als „gut/eher gut“ bewertet. Dazu kamen Vorschläge, wie etwa die Ergänzung von Tastfeldern für sehbeeinträchtigte Menschen im Außenbereich, eine breitere Klapprampe, bessere Haltemöglichkeiten oder ein akustisches Signal zum Finden der Türen, die umgesetzt werden konnten. Daneben wurden die beiden Hauptthemen „Innenraumaufteilung“ und „Sitzanordnung“ identifiziert. Diese beinhalten Aspekte der
- Ausgestaltung der erhöhten Bodenbereiche über den Drehgestellen,
- Durchgangssituation im Gesamtfahrzeug,
- Erreichbarkeit von Multifunktionsbereich/Rollstuhlplatz,
- Zugänge zu Sitzen mit weniger oder keinen Stufen sowie
- mögliche Interessenkonflikte im Niederflurteil
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Thema/ Impuls aus Dialogverfahren | optimierte Umsetzung/ Lösung |
Bodenbereiche über den Drehgestellen, Durchgangssituation im Gesamtfahrzeug, mögliche Interessenkonflikte im Niederflurbereich | Beim Mittelwagen wurden die geplanten zwei Stufen zum erhöhten Bodenteil durch Rampen an den Türen und im Gelenkbereich ersetzt. Dort entsteht im Rahmen des verfügbaren Raums ein durchgehend stufenfreier, weitgehend ebenerdiger Mittelgang. Auch die psychologische Barrierewirkung wird deutlich abgemildert und der Fahrgastfluss verbessert, was die Niederflurbereiche von möglichen Interessenkonflikten entlastet. |
Erreichbarkeit von Multifunktionsbereich/ Rollstuhlplatz | Durch eine neue, in Längsrichtung versetzte Anordnung der in beiden Fahrzeugseiten installierten Türen konnte der Innenraum der Endwagen neu gestaltet und die Flächen neu aufgeteilt werden. In der vorherigen Planung war der Multifunktionsbereich/Rollstuhlplatz nur mittels Vor- und Zurückrangieren erreichbar. Künftig gibt es je Endwagen zwei Multifunktionsbereiche (mit normgerechter Ausrichtung entgegen der Fahrtrichtung im jeweils vorderen Fahrzeugteil), wovon jeweils einer ohne Richtungswechsel direkt wie in den Altfahrzeugen erreichbar ist. |
Zugang zu Sitzen mit weniger/keinen Stufen | Vor den Gelenkbereichen in den Endwagen sind jeweils vier vollwertige Sitze auf dem niederflurigen Bodenniveau vorhanden. Diese sind ohne jegliche Stufen ebenerdig erreichbar. Dank der Rampen zu den erhöhten Fahrzeugbereichen im Mittelwagen ist zum Erreichen der Sitzgruppen nur noch eine Stufe zu überwinden, statt vormals zwei. |
Mockup
Um das tatsächliche Zusammenspiel der funktionalen Lösungen mit dem gestalterischen Konzept überprüfen zu können, wurde ein maßstabgetreues 1:1-Modell - ein sogenanntes Mockup - gefertigt. Dieses sollte nicht nur den Vertreterinnen und Vertretern der Interessenverbände zu Anschauung dienen, sondern auch der Öffentlichkeit, um eine realistische Gesprächsgrundlage zu ermöglichen und bei Bedarf auch weitere Entwicklungsschritte vor Produktionsstart zu definieren.
Rund zwei Drittel der Gesamtmasse des Mockup sind aus Holz gefertigt. Ein Materialmix aus Alu- und Glaserfaser-Komponenten, der Einbau echter Fenster und Türen sowie reale Sitze und Bodenbeläge, Haltestangen und angedeutete Fahrgastinformationssysteme im Innenraum simulieren realitätsnah die Aufenthaltsqualität in der Rhein-Neckar-Tram. Beim Bau des Modells kamen viele handwerkliche Produktionsschritte wie Formenbau, Holzarbeiten, Lackierung und Montage zum Einsatz, aber auch High-Tech-Verfahren wie CNC-Fräsen und 3D-Druck. Das Modell misst etwa 16 × 2,40 × 3,50 Meter und wurde mit einem Spezialtransport nach Mannheim geliefert.
Dialogverfahren und mobile Präsentationen
Im Herbst 2018 startete die rnv mit Hilfe des RNT-Mockups ein Dialogverfahren. Fahrgäste, Verbände sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung sollten bei einer Begehung des 1:1-Modells miteinander ins Gespräch kommen und über diejenigen Details der neuen Rhein-Neckar-Tram zu diskutieren, die für Fahrgäste und Betrieb im Alltag wichtig sind.
Eingeladen wurden Interessengruppen der gesamten Region, vom Fahrgastbeirat über Bahn- und ÖPNV-Kundenverbände bis hin zu verschiedenen Institutionen und Gremien, die die Belange und Interessen von Menschen mit Behinderungen, Radfahrern oder Senioren vertreten. Die Ergebnisse der gemeinsamen Ortstermine wurden systematisch erfasst und ausgewertet.
Die so erhaltenen Rückmeldungen und Anregungen, beispielsweise zu Möblierung, Komfort, Alltagstauglichkeit und auch zum Design konnten vor Produktionsbeginn umfassend auf technische, rechtliche, wirtschaftliche und konzeptionelle Umsetzbarkeit hin geprüft werden.
Diejenigen Ergebnisse, die als realisierbar bewertet wurden und die keine einseitige Verschlechterung oder Benachteiligung für einzelne Nutzergruppen darstellten, flossen schließlich in die endgültigen Feinplanungen ein und finden sich in den Serienfahrzeugen wieder. So konnten gemeinsam substanzielle Verbesserungen erarbeitet und umgesetzt werden.
Darüber hinaus hat die rnv auch alle interessierten Bürgerinnen und Bürger eingeladen, sich bei der ästhetischen Gestaltung des Innenraums der neuen RNT einzubringen und über das bevorzugte Design der Sitze abzustimmen. Hierzu war die rnv ab Mitte Oktober 2018 mit einer mobilen Ausstellung der Sitzvarianten in den großen Einkaufsquartieren und Fußgängerzonen der Region von Ludwigshafen bis Heidelberg vor Ort, nach dem Motto: Probesitzen, Farbalternativen beurteilen und für die persönlich favorisierte Version abstimmen. Bei dieser Präsentation wurden natürlich auch weitere Informationen zu den neuen Bahnen angeboten.